Samstag, 3. Januar 2015

 

Plexus Solaris


"...es ist das schrecklichste Gegenmittel gegen ungewöhnliche Menschen, sie dergestalt tief in sich hinein zu treiben, dass ihr Wiederherauskommen jedesmal ein vulkanischer Ausbruch wird. Doch giebt es immer wieder einen Halbgott, der es erträgt, unter so schrecklichen Bedingungen zu leben, siegreich zu leben; und wenn ihr seine einsamen Gesänge hören wollt, so hört Beethoven’s Musik" (Friedrich Nietzsche)



Volltext (Friedrich Schiller):

An die Freude.



Freude, schöner Götterfunken,

Tochter aus Elisium,

Wir betreten feuertrunken
,
Himmlische, dein Heiligthum.
Deine Zauber binden wieder,
was der Mode Schwerd getheilt;

Bettler werden Fürstenbrüder,

wo dein sanfter Flügel weilt.




Seid umschlungen, Millionen!
Diesen Kuß der ganzen Welt!
Brüder – überm Sternenzelt

muß ein lieber Vater wohnen.
 

Wem der große Wurf gelungen,

eines Freundes Freund zu seyn;
wer ein holdes Weib errungen,
mische seinen Jubel ein!

Ja – wer auch nur eine Seele

sein nennt auf dem Erdenrund!

Und wer’s nie gekonnt, der stehle
weinend sich aus diesem Bund!

                                                                                               
Was den großen Ring bewohnet

huldige der Simpathie!

Zu den Sternen leitet sie,

Wo der Unbekannte tronet.
 

Freude trinken alle Wesen
an den Brüsten der Natur,

Alle Guten, alle Bösen

folgen ihrer Rosenspur.

Küße gab sie uns und Reben,
einen Freund, geprüft im Tod.
Wollust ward dem Wurm gegeben,

und der Cherub steht vor Gott.



Ihr stürzt nieder, Millionen?

Ahndest du den Schöpfer, Welt?
Such’ ihn überm Sternenzelt,
über Sternen muß er wohnen.
 

Freude heißt die starke Feder

in der ewigen Natur.

Freude, Freude treibt die Räder
in der großen Weltenuhr.
Blumen lockt sie aus den Keimen,

Sonnen aus dem Firmament,

Sphären rollt sie in den Räumen,

die des Sehers Rohr nicht kennt!



Froh, wie seine Sonnen fliegen,
durch des Himmels prächtgen Plan,

Laufet Brüder eure Bahn,

freudig wie ein Held zum siegen.
 

Aus der Wahrheit Feuerspiegel
lächelt sie den Forscher an.
Zu der Tugend steilem Hügel

leitet sie des Dulders Bahn.

Auf des Glaubens Sonnenberge

sieht man ihre Fahnen wehn,
Durch den Riß gesprengter Särge
sie im Chor der Engel stehn.


 

Duldet mutig, Millionen!

Duldet für die beßre Welt!


Droben überm Sternenzelt
wird ein großer Gott belohnen.


Göttern kann man nicht vergelten,

schön ists ihnen gleich zu seyn.

Gram und Armut soll sich melden

mit den Frohen sich erfreun.
Groll und Rache sei vergessen,
unserm Todfeind sei verziehn.

Keine Thräne soll ihn pressen,

keine Reue nage ihn.




Unser Schuldbuch sei vernichtet!
ausgesöhnt die ganze Welt!
Brüder – überm Sternenzelt

richtet Gott wie wir gerichtet.

 

Freude sprudelt in Pokalen,

in der Traube goldnem Blut
trinken Sanftmut Kannibalen,
Die Verzweiflung Heldenmut
–
Brüder fliegt von euren Sitzen,

wenn der volle Römer kraißt,

Laßt den Schaum zum Himmel sprützen:
Dieses Glas dem guten Geist.
 

Den der Sterne Wirbel loben,

den des Seraphs Hymne preist,

Dieses Glas dem guten Geist,

überm Sternenzelt dort oben!
 

Festen Mut in schwerem Leiden,
Hülfe, wo die Unschuld weint,

Ewigkeit geschwornen Eiden,

Wahrheit gegen Freund und Feind,

Männerstolz vor Königstronen,
– Brüder, gält’ es Gut und Blut –
Dem Verdienste seine Kronen,

Untergang der Lügenbrut!


 

Schließt den heilgen Zirkel dichter,

schwört bei diesem goldnen Wein:
Dem Gelübde treu zu sein,
schwört es bei dem Sternenrichter!


 

Rettung von Tirannenketten,

Großmut auch dem Bösewicht,

Hoffnung auf den Sterbebetten,
Gnade auf dem Hochgericht!
Auch die Toden sollen leben!

Brüder trinkt und stimmet ein,

Allen Sündern soll vergeben,

und die Hölle nicht mehr seyn.


 

Eine heitre Abschiedsstunde!
süßen Schlaf im Leichentuch!

Brüder – einen sanften Spruch

Aus des Todtenrichters Munde!

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